Wir alle brauchen den Heiligen Geist

 Besonders in schwierigen Zeiten erfährt der Mensch und die Menschheit, dass sie außerstande ist, aus eigener Kraft gegen widrige Mächte etwas auszurichten. Das wird nicht nur angesichts von Naturkatastrophen deutlich, wie wir es auch in der neuesten Zeit immer wieder sehen, sondern erst recht in geistiger oder geistlicher Not, die wir heute ebenfalls recht drastisch erfahren.
Ohne Licht im geistlichen Bereich kann der Mensch auch im weltlichen Leben kein wirkliches Glück oder wirkliche Zufriedenheit finden. Das sehen wir an so manchen angeblichen „Geistesgrößen“ der Geschichte, die zwar reich begabt und oft auch reich begütert lebten, aber ohne tiefere Liebe zur Wahrheit vielfach als Menschen verbittert oder resigniert endeten, in seelischer Umnachtung dahinvegetierten oder sich gar zu regelrechten Bestien ihren Mitmenschen gegenüber entwickelten.
Auch die heutige Genussgesellschaft kann den Schatten der Sinnlosigkeit, der über ihren Verlockungen und vergänglichen Freuden schwebt, nicht wirklich verstecken. Süchte und geistige Finsternis blockieren immer mehr Menschen. Die psychischen Krankheiten entwickeln sich gerade in „Wohlstandsgesellschaften“ zu Volkskrankheiten und drohen in ihrer Verbreitung alle anderen Krankheiten zu übertreffen.
Solche Entwicklungen zwingen jeden Einzelnen und die Gesellschaft, über die Ursachen und über Gegenstrategien nachzudenken. Immer deutlicher tritt hervor, was nicht zu leugnen ist, was aber der moderne Mensch so gerne aus seinem Bewusstsein verdrängt hat: Es ist nicht gleichgültig, wie eine Gesellschaft lebt oder welche „Moral“ jeder Einzelne anerkennt. Nicht der Mensch kann Gut und Böse selbst erfinden oder nach Willkür definieren. Die Frage nach dem Guten und nach dem letzten Sinn weist über das bloß Zufällige hinaus zu den tiefsten Wurzeln menschlichen Bewusstseins, das im Absoluten gründet und nur von dort her seinen eigenen Platz findet und seine eigene Verantwortung wahrnimmt.
Immer deutlicher wird heute die Notwendigkeit von menschlicher Nähe und zwischenmenschlicher Hilfe erkannt, die durch die Ichbezogenheit des modernen Lebensstils und der angeblichen modernen Sachzwänge oft nicht mehr gelebt werden. Doch auch hier zeigt es sich, dass das, wofür der Mensch eigentlich erschaffen ist, nicht nur auf gesellige Anlässe oder höfliche Rücksichtnahme beschränkt werden kann.
Der Mensch braucht mehr. Sein eigenes Leben wie sein Leben mit seinen Mitmenschen erschöpft sich nicht im bloßen Hier und Jetzt zufälliger Gegebenheiten. Als Vernunftwesen ist der Mensch, selbst wenn er sich das oft nicht eingesteht, hingewiesen auf ein Tieferes, nämlich auf etwas Absolutes, auf die Wahrheit selbst, die ihn auf die Güte hinweist, die hinter der ganzen Schöpfung steht. Als Person, die geschaffen ist und Vernunft und Bewusstsein nicht aus sich selbst hat, bleibt jeder von uns hingewiesen auf Gott, den Absoluten, dessen Güte sich selbst rechtfertigt und der uns alle zur wahren Güte und Liebe ruft, weil Er selbst uns an Seiner Güte und Vollkommenheit teilhaben lassen will und uns in Seiner Fülle die wahre Erfüllung und Einheit in der Liebe schenken will!
Diese übernatürliche Erkenntnis unserer Berufung ist der Anfang des wahren Lebens, aber noch nicht das Leben selbst, solange wir aus Sünde und Schwäche, die uns überall umgibt und unter der wir als Kinder Adams und Evas auch selbst alle leiden, uns nicht befreien können.
Wir brauchen Hilfe. Nur Gott konnte uns aus dieser unserer Not der Sündhaftigkeit und der Schwäche wieder befreien. Er selbst ist dazu vom Himmel herniedergestiegen, um uns zu erlösen. Er hat den größten Preis der Liebe für uns freiwillig bezahlt, damit auch wir wieder zu einem wahren Leben in der Liebe und damit in der wahren Gotteskindschaft zurückkehren können!
Und Er selbst kehrte in unsere Herzen ein, nicht wegen unserer Verdienste, sondern aus Gnade, die durch Seine Erlösungstat durch unser Mitwirken in der Liebe unsere Seelen wieder zum Leben erweckt hat! Er hat sich uns geoffenbart, nicht als ein unpersönliches „Absolutes“, wie es sich die Menschen oft vorstellen, sondern als Vater, als Sohn und als Heiliger Geist, als die absolute Liebe.
Auch im Bereich der Religion geht der Mensch leicht falsche Wege. Gerade hier braucht er die Führung Gottes, des Heiligen Geistes, wie wir alle aus der Heiligen Schrift und aus der Anschauung unserer Tage wissen.
Wie leicht kann „Religion“ ins Gegenteil verkehrt werden, wie leicht kann aus dem Gottesdienst ein bloßer „Menschendienst“ entstehen, wo es um menschlichen Erfolg, Ehre, Eitelkeit, Macht, Geld, Sentimentalität, Freiheitsberaubung, ja sogar offene Unmoral geht statt um die Liebe und Wahrheit Gottes! Wie sehr ist der Mensch gerade auf diesem Gebiet gefährdet, in die größten Lügen und Perversionen zu verfallen, wenn er sich nur von seinem vermeintlich „eigenen“ Geist leiten und lenken lässt!
Wir alle brauchen den Heiligen Geist! Ohne Seine Hilfe können wir nicht einmal die einfachsten Grundlagen unseres Lebens recht verstehen! Selbst die „religiöse“ Haltung geht ohne Sein Licht ins Leere und in die Verkehrung aller Ordnung.
Auch die Worte der Heiligen Schrift können wir ohne Sein Licht nicht recht verstehen, wie es uns die moderne Exegese und viele Irrlehrer der Geschichte immer wieder deutlich zeigen, und worin auch eine Wurzel der modernen geistlichen Misere gründet.
Jesus will uns mit Seinem Heiligen Geist erfüllen, damit wir uns von einem unfruchtbaren Geist der menschlichen „Weisheit“ und „Größe“ nicht in die Irre führen lassen. Das ganze Neue Testament ist eine Frohbotschaft von der Offenbarung der Liebe Gottes, die sich uns in der Mitteilung des Heiligen Geistes schenken will!
Und jede Predigt Jesu ist der Aufruf, sich diesem Geist der Liebe Gottes zu öffnen, welcher der Schlüssel zum Verständnis aller Werke Gottes und Seiner ganzen Offenbarung ist! Wie kann man das Wort Gottes verstehen ohne diesen Aufruf der Liebe? Alles bleibt finster, wenn man die Schriften ohne oder gar gegen die Liebe Gottes deutet! So muss Jesus gerade den religiösen „Größen“ Seiner Zeit zurufen: „Seid ihr nicht deshalb im Irrtum, weil ihr weder die Schrift versteht noch die Macht Gottes?“ (Mk. 12, 24).
Mit dem Kommen Jesu Christi ist eine neue Zeit angebrochen. Die Zeit der Finsternis ist zu Ende, angebrochen ist der Tag des Lichtes Gottes, der im Ostermorgen und in der Sendung des Heiligen Geistes am Pfingstfest seine lichte Vollendung findet!
Und so erschließt uns Jesus selbst den Sinn aller Schriften und aller Offenbarung, indem Er auf die Frage nach dem ersten aller Gebote feierlich mit Zitaten aus dem Alten Testament antwortet: „Das erste lautet: Höre Israel! Der Herr ist unser Gott. Herr ist Er allein. So sollst Du den Herrn, deinen Gott, lieben aus deinem ganzen Herzen, aus deiner ganzen Seele, aus deinem ganzen Gemüte und aus all deiner Kraft. Das ist das erste Gebot. Das zweite lautet: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Ein größeres Gebot als diese gibt es sonst nicht“ (Mk. 12, 29ff.).
Mit dem Kommen der Liebe Gottes in unsere Welt ist das Reich Gottes unter uns angebrochen. Wir sind gesandt, von dieser Liebe Gottes Zeugnis abzulegen. Derjenige, der diese Liebe Gottes in uns wirkt und zum Leuchten bringen kann, ist der Heilige Geist. Er ist das Leben der Getauften und der ganzen katholischen Kirche. Er ist auch das Licht, das uns hilft, durch die Finsternis der Prüfungen unserer Tage sicher zu schreiten.
Die Liebe Gottes ist der Anker, der uns in all unserem Denken und Handeln festen Halt verleiht. Sie ist unser Licht, das uns hilft, alles, was finster ist, zu meiden und zu überwinden!
Flehen wir immer um Gottes Liebe, Gottes Kraft und Gottes Gnade, die uns in den Sakramenten durch den Heiligen Geist geschenkt wird, die wir aber auch durch unser Mittun in unserem Leben wirksam werden lassen sollen. Nur der Heilige Geist hilft uns, den Nöten unserer Zeit nicht aus dem Weg zu gehen, sondern uns ihnen zu stellen und ihnen in der Kraft Gottes entgegentreten zu können.
Deshalb betet die Kirche seit ihren ersten Tagen oft und gerne zum Heiligen Geist. Nur durch solches Beten können und werden auch wir uns von Ihm führen lassen können. Mit uns beten alle Engel und Heiligen, besonders aber Maria, die als unser aller Mutter besonders auch die Nöte der Kirche kennt und versteht. Vereinigen wir uns mit ihnen, beten wir mit ihnen, vielleicht ein Gebet, wie es schon der heilige Augustinus (354 – 430) verrichtete:

„Atme in mir, Du Heiliger Geist, dass ich Heiliges denke,
treibe mich, Du Heiliger Geist, dass ich Heiliges tue,
locke mich, Du Heiliger Geist, dass ich Heiliges liebe,
stärke mich, Du Heiliger Geist, dass ich Heiliges behüte,
hüte mich, Du Heiliger Geist, dass ich es nimmer verliere!“

Heiliges denken, Heiliges tun, Heiliges lieben, Heiliges behüten und nie verlieren, darin besteht das wahre Leben, und darum müssen wir kämpfen in all unseren Tagen, wo das Heilige aus allen Bereichen des Lebens, ja sogar aus den Herzen so vieler „Christen“ zu verschwinden droht! Dieses heilige Denken und Tun vermögen wir nur im Heiligen Geist! Komm, Heiliger Geist, in unsere Zeit und hilf uns, die Not der Kirche zu wenden!

Thomas Ehrenberger

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